II. Einbürgerungen
66 Abstimmung der Gemeindeversammlung über eine ordentliche Einbür- gerung. Begründungspflicht von Einbürgerungsentscheiden. - Bei Abstimmungen an Gemeindeversammlungen entscheidet die ein- fache Mehrheit der Stimmenden. Nicht erforderlich ist damit die ab- solute Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten (Erw. 2). - Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind beim Entscheid über Einbürgerungsgesuche an die Grundrechte gebunden und verpflich- tet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen. Der Entscheid über ein Einbürgerungsgesuch ist zu begründen (Erw. 3).
Aus dem Entscheid des Regierungsrats vom 21. November 2012 in Sachen X. und Y. gegen die Einwohnergemeinde Z. (RRB Nr. 2012-001557).
Aus den Erwägungen
2. a)
Gemäss § 27 Abs. 2 GG entscheidet bei Abstimmungen an Ge-
meindeversammlungen die "Mehrheit der Stimmenden". Der Wort-
laut dieser Bestimmung ist klar. Für Beschlüsse der Gemeindever-
sammlung genügt die einfache Mehrheit der Stimmenden. Nicht
erforderlich ist damit die absolute Mehrheit der anwesenden Stimm-
berechtigten. Die Einführung eines derartigen Quorums auf Gemein-
deebene für Beschlüsse der Gemeindeversammlung wäre denn auch
unzulässig. Dementsprechend dürfen Stimmenthaltungen bei der
Resultatsermittlung keine Rolle spielen. Das Verwaltungsgericht hat
dazu auch ausdrücklich festgehalten, dass das kantonale Recht für
Abstimmungen an Gemeindeversammlungen das Verfahren des ein-
fachen Mehrs vorsieht. Dabei seien Enthaltungen lediglich eine
rechnerische Grösse. Da den Enthaltungen keine Bedeutung zukom-
me, müssten diese auch nicht ausgezählt werden (vgl. AGVE 2008,
S. 491).
b)
Für den Beschluss der Gemeindeversammlung Z. (...) über das
Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführenden ergibt sich daraus
Folgendes: Gemäss dem Protokoll der Gemeindeversammlung wur-
den 31 Ja- und 27 Nein-Stimmen sowie 23 Enthaltungen registriert.
Damit wurde die Zusicherung des Gemeindebürgerrechts an die
Beschwerdeführenden erteilt, da die 31 Ja-Stimmen die erforderliche
Mehrheit bilden. Die Interpretation des Abstimmungsergebnisses
durch den Gemeinderat als Ablehnung des Gesuchs widerspricht
§ 27 Abs. 2 GG und ist zu korrigieren. Das Abstimmungsergebnis in
der Gemeindeversammlung führt direkt zur Zusicherung des Ge-
meindebürgerrechts an die Beschwerdeführenden. Eine nochmalige
Traktandierung des Geschäfts beziehungsweise eine Wiederholung
der Abstimmung ist weder erforderlich noch zulässig. Stattdessen ist
der Gemeinderat Z. anzuweisen, das Abstimmungsergebnis als
Zusicherung des Gemeindebürgerrechts an die Beschwerdeführenden
zu interpretieren und für eine beförderliche Fortführung des Einbür-
gerungsverfahrens zu sorgen.
3. a)
Obwohl die vorliegende Beschwerde bereits aus den oben
stehenden formellen Gründen gutgeheissen werden muss, drängen
sich auch mit Blick auf zukünftige Einbürgerungsverfahren die nach-
folgenden Erwägungen auf.
b) Gemäss Bundesgericht handeln die Stimmbürgerinnen und
Stimmbürger, wenn sie über Einbürgerungsgesuche entscheiden, als
Organ der Gemeinde und nehmen somit eine staatliche Aufgabe
wahr. Sie sind daher gemäss Art. 35 Abs. 2 BV an die Grundrechte
gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen (vgl.
BGE 1D_8/2008 vom 7. Juli 2009 E. 4.3; BGE 1P.228/2002 vom
9. Juli 2003 E. 2.2.1 mit Hinweisen auf die Doktrin).
Für die materiellen Voraussetzungen der Einbürgerung knüpft
das KBüG, abgesehen von der Zusatzregelung betreffend das Wohn-
sitzerfordernis (vgl. § 5 KBüG), allein an die bundesrechtlichen Vor-
gaben im BüG an und stellt keine zusätzlichen Erfordernisse auf. Für
die ordentliche Einbürgerung wird neben der Beachtung der schwei-
zerischen Rechtsordnung (Art. 14 lit. c BüG) sowie dem negativen
Erfordernis der Nichtgefährdung der inneren und/oder äusseren Si-
cherheit der Schweiz (Art. 14 lit. d BüG) eine erfolgreiche Integra-
tion der Bewerberin des Bewerbers (Art. 14 lit. a BüG) verlangt.
Zudem ist erforderlich, dass die gesuchstellende Person mit den
schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen ver-
traut ist (Art. 14 lit. b BüG).
c)
Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf
rechtliches Gehör. Darunter fällt auch der Anspruch auf Begründung
eines von der Gemeindeversammlung gefällten Entscheids. Nach
bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist der Begründungspflicht dann
Genüge getan, wenn jene Gründe genannt werden, die für den Ent-
scheid von tragender Bedeutung waren. Es müssen wenigstens kurz
die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde (be-
ziehungsweise in casu die Gemeindeversammlung) hat leiten lassen
und auf die sich ihr Entscheid stützt. Die Begründung muss dem
Adressaten schliesslich die sachgerechte Anfechtung des Entscheids
ermöglichen (vgl. zum Ganzen BGE 135 III 513 E. 3.6.5; BGE 134 I
83 E. 4.1 mit weiteren Hinweisen).
d)
Gemäss Protokoll der Gemeindeversammlung (...) wurde bei
der Abstimmung über das Gesuch der Beschwerdeführenden keine
Diskussion geführt. Insbesondere wurde weder bei der Abstimmung
noch auf Nachfrage hin von den Anwesenden eine Begründung
abgegeben, warum der Antrag auf Zusicherung des Gemeindebür-
gerrechts der Beschwerdeführenden abzulehnen sei. Gemäss Ein-
schätzung des Gemeinderats sei die ablehnende Haltung der anwe-
senden Stimmbürgerinnen und Stimmbürger vermutlich darauf zu-
rückzuführen, dass Y. eine Kopfbedeckung getragen habe und dies
mit einer fehlenden Integration verbunden worden sei.
e)
Obgleich die an der Gemeindeversammlung (...) anwesenden
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger vom Gemeinderat auf die Be-
gründungspflicht und das den Beschwerdeführenden offen stehende
Rechtsmittel hingewiesen worden sind, haben jene die Abgabe einer
Begründung verweigert. Damit hat die Gemeindeversammlung die
Begründungspflicht verletzt.
Diese festgestellte Verletzung des grundrechtlich verankerten
rechtlichen Gehörs hat jedoch keine weiteren Auswirkungen, da, wie
oben dargelegt, das Einbürgerungsgesuch bereits aus formellen
Gründen gutgeheissen werden muss.